Digitalisierung wie geht das
Der Begriff Digitalisierung bezeichnet ursprünglich das Umwandeln von analogen Werten in digitale Formate und ihre Verarbeitung oder Speicherung in einem digitaltechnischen System. Die Information liegt dabei zunächst in beliebiger analoger Form vor und wird dann über mehrere Stufen in ein digitales Signal umgewandelt, das nur aus diskreten Werten besteht.
Zunehmend wurde jedoch unter Digitalisierung auch die Erstellung primär digitaler Repräsentationen zum Beispiel durch Digitalkameras oder digitale Tonaufzeichnungssysteme verstanden. Die so gewonnenen Daten lassen sich informationstechnisch verarbeiten, ein Prinzip, das allen Erscheinungsformen der Digitalen Revolution und der Digitalen Transformation im Wirtschafts-, Gesellschafts-, Arbeits- und Privatleben zugrunde liegt.
Seit etwa 2013 wird – so zeigen Google–Suchanfragen – der Begriff der Digitalisierung in der deutschsprachigen medialen Öffentlichkeit immer seltener im Sinne der ursprünglichen Bedeutung (Umwandlung von analogen in digitale Datenformate) verwendet, sondern fast ausschließlich (und zunehmend unbestimmt) im Sinne der umfassenden Megatrends der digitalen Transformation und Durchdringung aller Bereiche von Wirtschaft, Staat, Gesellschaft und Alltag. Dabei geht es um „die zielgerichtete Identifikation und das konsequente Ausschöpfen von Potentialen, die sich aus digitalen Technologien ergeben“. Dort wird auch von „Digitalisierungsfähigkeit“ gesprochen, was wie viele andere Zusammensetzungen mit „Digitalisierung“ semantisch unsinnig ist.
Oft werden alle Formen technisch vernetzter digitaler Kommunikation wie Breitbandkommunikation, Internet der Dinge, E-Commerce, Smart Home oder Industrie 4.0 undifferenziert unter das Schlagwort subsumiert. Peter Mertens, Dina Barbian und Stephan Baier zeigen die zunehmend inflationäre und fragwürdige Verwendung des Begriffs auf, der nicht nur einen wichtigen Trend markiert, sondern auch Merkmale einer Mode (Hype, fad) trägt. Diese Mode sei mit allzu optimistischen Erwartungen und Machbarkeitsillusionen verbunden; ihre Realisierung könne zu riskanten Übertreibungen und Fehlinvestitionen führen. So ist von 2013 bis 2017 die Zahl der Google-Suchanfragen für „Digitalisierung“ und „Industrie 4.0“ um etwa 600 bis 700 Prozent gestiegen, ein klassisches Anzeichen für einen Hype.
Tatsächlich erhöht die technisch vernetzte digitale Kommunikation die Vielfalt technisch-organisatorischer Lösungsmöglichkeiten erheblich. Daher schafft sie keine langfristig stabilen Strukturen, sondern erhöht deren Flexibilität und Komplexität und reduziert ihre Berechenbarkeit durch die von ihr angestoßenen Prozesse disruptiven Wandels.
- Siehe dazu Digitale Revolution und (mit Bezug auf Geschäftsmodelle von Unternehmen und ganzen Branchen) Digitale Transformation
Die folgenden Ausführungen beziehen sich vorrangig auf die Digitalisierung im ursprünglichen, engeren Sinne als Prozess der Datenumwandlung.
Das Vorliegen von Informationen und Daten in digitaler Form besitzt unter anderem folgende Vorteile:
- Digitale Daten erlauben die Nutzung, Bearbeitung, Verteilung, Erschließung und Wiedergabe in elektronischen Datenverarbeitungssystemen.
- Digitale Daten können maschinell und damit schneller verarbeitet, verteilt und vervielfältigt werden.
- Sie können (auch wortweise) durchsucht werden.
- Der Platzbedarf ist deutlich geringer als bei anderen Formen der Archivierung
- Auch bei langen Transportwegen und nach vielfacher Bearbeitung sind Fehler und Verfälschungen (zum Beispiel Rauschüberlagerungen) im Vergleich zur analogen Verarbeitung gering oder können ganz ausgeschlossen werden.
Ein weiterer Grund für die Digitalisierung analoger Inhalte ist die Langzeitarchivierung. Geht man davon aus, dass es keinen ewig haltbaren Datenträger gibt, ist ständige Migration ein Faktum. Fakt ist auch, dass analoge Inhalte mit jedem Kopiervorgang an Qualität verlieren. Digitale Inhalte bestehen hingegen aus diskreten Werten, die entweder lesbar und damit dem digitalen Original gleichwertig sind, oder nicht mehr lesbar sind, was durch redundante Abspeicherung der Inhalte beziehungsweise Fehlerkorrekturalgorithmen verhindert wird.
Schließlich können analoge Originale durch Erstellung digitaler Benutzungskopien geschont werden. Denn viele Datenträger, darunter Schallplatten, analog vorliegende Spielfilme und Farb-Diapositive, verlieren allein durch die Wiedergabe oder auch nur einfache Alterungsprozesse an Qualität. Auch gedruckte Bücher oder Zeitungen und Archivalien leiden unter Benutzung und können durch Digitalisierung geschont werden.
Es sei angemerkt, dass der Schritt der Digitalisierung grundsätzlich mit Qualitätsverlust bzw. Informationsverlust verbunden ist, weil die Auflösung „endlich“ bleibt. Ein Digitalisat kann jedoch in vielen Fällen so genau sein, dass es für einen Großteil der möglichen (auch zukünftigen) Anwendungsfälle ausreicht. Wenn diese Qualität durch das Digitalisat erreicht wird, spricht man von Preservation Digitisation, also der Digitalisierung zur Erhaltung (= Ersetzungskopie). Der Begriff verkennt jedoch, dass nicht alle zukünftigen Anwendungsfälle bekannt sein können. Beispielsweise ermöglicht eine hochauflösende Fotografie zwar das Lesen des Texts einer Pergamenthandschrift, kann aber zum Beispiel nicht für physikalische oder chemische Verfahren zur Altersbestimmung der Handschrift verwendet werden. Aus diesem Grund ist es auch hoch umstritten, beispielsweise Zeitungen und Bücher, die aufgrund ihrer minderwertigen Papierqualität nur durch aufwendige Restaurierung erhalten werden könnten, stattdessen zu digitalisieren und die Originale zu entsorgen.
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