Vegane „Massen“-Bewegung auf der Wiesn
Unstatistik des Monats:
Vegane „Massen“-Bewegung auf der Wiesn
Die Unstatistik des Monats Oktober ist der „Erfolg“ der veganen Weißwurst auf dem diesjährigen Münchner Oktoberfest. Dieser soll vorab keinesfalls sicher gewesen sein, schreibt das Online-Portal „Vegpol“. Die Kabarettistin Monika Gruber dachte bei einer Verkostung der Wurst aus Erbsenprotein jedenfalls eher an gepresste Sägespäne, geschmacklich an Montageschaum. Gleichwohl forderte die Münchner Splitterpartei V-Partei³ eine 100 Prozent vegane Wiesn. Was kommt als Nächstes – die Forderung nach einer alkoholfreien Wiesn?
Beides
mag absurd erscheinen. Umso überraschender kam die Meldung, das Münchner
Oktoberfest habe mit diesem Verpflegungsangebot einen „veganen Trend“
aufgezeigt, wie Vegpol weiter ausführt. Der Erfinder der veganen Weißwurst
spricht gar von einer „Massenbewegung“. Und twittert über seine
Firma „Greenforce“ hinterher: „Auf dem Oktoberfest waren 400 von 1.000
Currywurst Bestellungen und 200 von 1.000 Weißwurst Bestellungen vegan.“
Tatsächlich standen die veganen Weiß- und Currywürste nur in zwei von 38 Zelten
auf der Karte. Die Weißwurst, wie es sich gehört, auch nur bis 13 Uhr mittags.
Nur eins der zwei Zelte, das Hofbräu Festzelt, lieferte grob geschätzte
Verkaufsanteile – keine absoluten Zahlen. Das dürfte seinen Grund haben. Denn
die Curry- und Weißwürste sind vermutlich nicht die "Verkaufsschlager"
des Hofbräu Festzelts. Laut Internetseite werden 70.735 halbe Hendl, 4.267
Schweinshaxen und 6.294 Paar Schweinswürste verkauft, Curry- und Weißwürste
werden nicht erwähnt. Also müssen die Verkaufszahlen von Curry- und Weißwürsten
wohl deutlich darunter liegen. Würden davon genauso viele Portionen
verkauft wie von den Schweinswürsten, also jeweils 6.295, kämen die veganen
Alternativen auf insgesamt maximal 3.777 oder 4 Prozent aller verkauften
Essensportionen in diesem Zelt. Und das ist die Obergrenze. In allen anderen
Zelten bis auf eines ist der Anteil null.
Medienberichte
erwähnen nicht, wie wenig aussagekräftig die Stichprobe ist
Gleichwohl
waren die Medien voll von Sensationsberichten über die besagten 40
beziehungsweise 20 Prozent. Die Herkunft der Zahlen aus dem Hofbräu Festzelt
wird zwar erwähnt, aber keiner der Berichte in der „Passauer Neuen Presse", der „Münchner Abendzeitung“ oder der „Mittelbayerische“ erwähnt, dass
diese nur eine sehr verzerrte Stichprobe darstellt.
In
der amtlichen Oktoberfest-Statistik der Stadt München tauchen Weiß- und Currywürste bislang überhaupt nicht
auf. (Manche vermuten, das läge daran, dass Currywürste auf dem Oktoberfest
auch nichts verloren haben, aber das tut nichts zur Statistik.) Klar ist, dass
bei insgesamt rund 220.000 verkauften Schweinswürsten und 435.000 halben
Brathähnchen die veganen Weiß- und Currywürste kaum ins Gewicht fallen. Dass
ihr Anteil im Hofbräu Festzelt, verglichen mit dem jeweiligen Original,
vergleichsweise hoch war, dürfte darin begründet sein, dass Veganer eben nur
dort vegane Würste kaufen konnten.
Ihre
Ansprechpartner/in dazu:
Katharina Schüller
(STAT-UP)
Tel.: (089)
34077-447
Sabine Weiler (Kommunikation RWI),
Tel.: 0201/ 8149-213, sabine.weiler@rwi-essen.de
Mit der
„Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer,
der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina
Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst
publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden
Sie im Internet unter www.unstatistik.de und unter dem Twitter-Account @unstatistik. Unstatistik-Autorin Katharina Schüller ist
zudem Mit-Initiatorin der „Data Literacy Charta“, die sich für eine umfassende
Vermittlung von Datenkompetenzen einsetzt. Die Charta ist unter www.data-literacy-charta.de abrufbar.
Neu
erschienen: „Grüne fahren SUV und Joggen macht
unsterblich – Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“, das zweite Unstatistik-Buch (ISBN
9783593516080), erhältlich im Buchhandel zum Preis von 22 Euro.
Bei Weiterverbreitung von
Texten aus der Reihe "Unstatistik des Monats" muss klar erkennbar
sein, dass es sich um die Übernahme eines fremden Textes handelt. Zudem ist die
Quelle https://www.unstatistik.de
zu nennen. Bitte informieren Sie die Pressestelle des RWI über die Verwendung
des Textes unter
presse@rwi-essen.de. Das Urheberrecht bleibt bestehen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen