Zeitenwenden der Geschichte:
Die Zeitenwende ist der Beginn der christlichen Zeitrechnung
in Europa. Ein Jahr Null gibt es in dieser Zeitrechnung nicht. Stattdessen
wurde vom Jahr 1 v.Chr. (vor Christus) auf das Jahr 1 n.Chr. (nach Christus)
übergegangen. Gleichzeitig ist die Zeitenwende auch der Beginn einer neuen Ära
bzw. Geschichtsepoche innerhalb der Menschheitsgeschichte. Die Veränderung
einer Weltsicht, welche mit neuen Werten einhergeht, wird ebenfalls als
Zeitenwende bezeichnet.
Verschiedene Bedeutungsebenen der Zeitenwende
Die Begriffe Zeitwende oder Zeitenwende werden oft synonym
benutzt. Im Jahr 2022 benutzte den Begriff der deutsche Bundeskanzler Scholz,
um Russlands Angriff auf einen friedlichen Bruderstaat wie die Ukraine zu
bezeichnen. Dadurch veränderte sich die Weltsicht der Bundesrepublik und deren
Vertreter. Auf einmal wurde die Abgrenzung zu Russland wieder deutlicher,
Ansichten des Kalten Krieges wieder präsenter, Demokratie, Frieden und Freiheit
waren nicht mehr selbstverständlich.
Weiterhin kündigte die deutsche Regierung einen
Perspektivwechsel bei der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik an. Als Folge
des Zweiten Weltkriegs verstand sich die Bundeswehr immer als Militär, welches
Bündnisziele innerhalb der NATO erfüllt. Als Schutz- und Ordnungsmacht in
Europa wurde die Bundeswehr nie gesehen, weshalb dort gewisse Strukturen
fehlen. Durch die Erkenntnis, dass Russland eine Bedrohung für den Frieden in
Europa sein könnte, äußert sich die Zeitenwende Deutschlands dadurch, dass die Wirtschaftsbeziehung zu Russland eingestellt werden
sollen dass die Bundeswehr zu einer einsatz- und wehrfähigen
Militäreinheit umstrukturiert werden soll und dass der anerzogene Pazifismus, welcher sich durch
Geschichtsbewusstsein und Erinnerungskultur Deutschlands ergab, neu definiert
werden muss.
Laut Definition steht die Zeitenwende in Europa für zwei
verschiedene Dinge: zum einen für den Beginn einer neuen Ära oder einem neuen
Zeitalter. Zum anderen wird Begriff dafür benutzt, um den Beginn einer neuen
Zeitrechnung zu markieren. In Europa wäre diese der Zeitpunkt der Geburt von
Jesus Christus. In anderen Religionen, wie dem Islam beginnt die Zeitrechnung
mit der Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina. Demnach
existiert keine einheitliche Zeitrechnung Und die europäische ist eine unter
vielen. Dies bedeutet, dass der Begriff einer Zeitenwende, welche mit Christi
Geburt begann, ebenfalls eine europäische bzw. christlich geprägte ist.
Gemeint ist mit dem Begriff „Zeitenwende“ auch der Anbruch
einer neuen Zeit, in der nichts mehr ist wie zuvor. Aber eine Ära bricht nicht
an einem bestimmten Tag an und verändert sofort weltweit das Leben. Eine
Zeitwende läutet vielmehr eine lange Entwicklung ein, die sich dann nicht mehr
zurückdrehen lässt. Sie verändert mit ihrem Beginn fortlaufend das, was einmal
das gewohnte Leben definiert hat. Die Erfindung des Rades dürfte beispielsweise
eine neue Ära im Transportwesen, im Militär, der Versorgung und dem Bauwesen
eingeleitet haben. Demnach sind Zeitenwenden immer dadurch gekennzeichnet, dass
sich das Leben der Menschheit in allen Bereichen veränderte.
Verschiedene Arten von Zeitenwenden
Eine Zeitwende ist demnach ein Ereignis oder ein Prozess,
wonach sich die vergangene Ära grundlegend von der zukünftigen Epoche
unterscheidet. Dieser Prozess oder diese Ereignis geht meistens eine
Entwicklung voraus, wonach sich der Zeitenwendenbegriff auf verschiedenen Ebenen
abbilden lässt
Technologische bzw. wissenschaftliche Zeitenwenden
Eine Technologische bzw. wissenschaftliche Zeitenwende lag
immer dann vor, wenn der Mensch eine Schlüsseltechnologie fand, wodurch sich
das Leben aller Menschen wandelte. Wir können beispielsweise verschiedene
technologische Zeitenwenden ausmachen: die Herrschaft über das Feuer, die
Erfindung des Rades, die Erfindung des Webstuhls, die Entwicklung des Autos,
die Entwicklung moderner Computer und Smartphones oder einer Atombombe haben
technologische Zeitenwenden eingeleitet.
Die geschilderten Entwicklungen kamen durch ihre rasante
Verbreitung einer technischen Revolution gleich. Die erste Schlüsseltechnologie
war das Feuer, wodurch der Mensch seine Lebensmittel garen bzw. kochen konnte.
Dies erbrachte Vorteile beim Verzehr. Denn Nahrung konnte nun frei von Keimen
oder Bakterien gegessen werden. Zugleich konnte die Nahrung haltbarer gemacht
werden.
Einige Forscher stellten die Hypothese auf, dass durch den
Verzehr von erhitzter Nahrung sich das Verdauungssystem, die Muskulatur und auch
das Gehirn des Menschen änderte. Zugleich entstand die früheste Form der
Arbeitsteilung, indem einige Stammesmitglieder jagten und andere das Essen
zubereiten. Dieses Zeitersparnis ermöglichte Planung und schuf Zeitressourcen,
welche der Mensch fortan für Kultur und Werkzeugbau nutzen konnte.
Der Übergang vom Sammler und Jäger zu Ackerbau und Viehzucht
war ebenfalls eine Zeitenwende, welche dem Menschen erstmals Nahrungsüberschuss
ermöglichte. Vorratshaltung wurde möglich und Menschen konnten sesshaft werden.
Dies wiederum sorgte dafür, dass der Mensch fortan nicht jedes Nahrungsmittel
selbst herstellen musste, sondern von anderen Menschen aus deren Vorrat
bekommen konnte. Im Gegenzug konnte dieser Mensch seine produzierten
Tauschwaren, wie Kleidung oder Ähnliches anbieten, welches er ebenfalls auf
Vorrat hatte.
Diese Vorratshaltung ermöglichte somit Arbeitsteilung und
Handel innerhalb einer Gesellschaft. Der Mensch wurde vom reinen Konsumenten
der Natur zum Produzenten seiner Nahrung und wurde dadurch unabhängig von
Umwelteinflüssen.
Ackerbau und Viehzucht machte den Menschen zudem sesshaft,
da Nahrung nicht mehr erbeutet oder gesammelt werden musste. Diese
Sesshaftigkeit ist der Grundstein für die Entstehung von Zivilisationen,
wodurch sich die Weltsicht der Menschheit grundlegend änderte.
Religiöse Zeitenwenden
Religionen bzw. der Glaube an Götter oder etwas
Übersinnliches schuf erste Ordnungsprinzipien in der Menschheit. Dadurch wurde
eine Weltsicht erschaffen, welche die Götterwesen in den Mittelpunkt stellte.
Menschliches Handeln und Verhalten diente fortan nicht nur dem Individuum,
sondern wurde durch Gotteswille begründet. Die Menschen errichteten Tempel,
später Kirchen und ordneten sich in einer Hierarchie ein, an deren oberste
Rangstufe nicht sie selbst standen, sondern ein göttliches Wesen.
Dieser Gott war somit die Ordnungsmacht in einem neuen
System und dessen Weisungen wurden zu Gesetzen. Harmonie konnte entstehen, da
es Richtlinien gab, an denen sich menschliches Verhalten orientieren konnte.
Glaubten die Menschen im antiken Griechenland oder im Römischen
Reich noch an viele Götter, wurde diese Weltsicht mit der Entstehung des
Judentums weitestgehend aufgelöst. Denn durch die Entstehung des Monotheismus
(Ein-Gott-Glaube) entstand zudem eine noch klarere Ordnung gegenüber dem
Polytheismus (Mehr-Götter-Glaube). Der Mensch musste sich nicht den Weisungen
vieler Götter unterordnen, welche zudem im Zwist oder Zielkonflikt standen,
sondern nur einem Gott. Dies schuf Klarheit und Fokus. Die Gebote dieser neuen
Religion wurden zu Gesetzen, welche das menschliche Miteinander der nächsten
Jahrhunderte prägen sollte.
Religiöse Zeitenwenden wurden zudem durch das Entstehen des
Christentums, des Buddhismus oder des Islams eingeleitet. Die Weltreligionen
haben mit ihrer Ausbreitung ganze Kulturen geprägt. Sie haben die Architektur,
die Kunst, die Musik oder die Politik eines Landes oder Kontinents stark
beeinflusst und weitreichende Folgen gehabt. Doch diese Entwicklungen
bedeuteten weder anfangs, noch später eine neue Ära auf globaler Ebene.
Die heutigen Weltreligionen breiteten sich zunächst nur
regional aus. Erst mit den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten breiteten sie
sich auch kontinental aus. Es gab und gibt jedoch historisch dokumentierte
Bestrebungen, diese Religionen auch weltweit zu etablieren. Die Glaubensspaltungen
(Schisma) und Kreuzzüge sind ein Dokument dieser Weltsicht, wonach
Andersgläubige zu Feinden worden, deren Weltsichten als minderwertig
eingeordnet und deren Bekehrung als Friedensangebot und Hilfe verklärt wurde.
Esoteriker und spirituelle Menschen erwarten mit dem Wassermannzeitalter eine
neue Ära. Sie erhoffen sich dadurch eine Zeitenwende zum Guten.
Krieg und Frieden als Zeitenwende für das Menschenbild
Krieg und Frieden schafften schon immer eine neue Ära,
allerdings regional anstelle von global. Das Römische Reich, welche als
Republik geführt und der Prototyp eines modernen Staatsmodells ist, gilt als
kulturschaffendes Konstrukt der Antike. Im Reich wurden neue Völker unterworfen
und integriert, wodurch durch Krieg eine Unruhe und durch Unterwerfung
schließlich eine Ordnung entstand.
Dieser Zustand ist nach heutigen Maßstäben – welche im
Humanismus und Aufklärung begründet sind, nicht mehr tragbar. Demnach gab es
auch hier eine Zeitenwende. Aber zur damaligen Zeit war der Imperialismus das
angesehenste Weltordnungsmodell. Nach diesem Modell operierten in Asien auch
das Perserreich und in Europa trat nach Fall des Römischen Reiches das
Britische Weltreich, die Kolonialreiche Portugal und Spanien, welche
Sklavenhandel aufleben ließen.
Erst der Zweite Weltkrieg und der Holocaust des Dritten
Reiches veränderte die Weltsicht der Menschheit grundlegend. Als Folge dieser
humanitären Katastrophen wurde eine neue Weltordnung etabliert, welche als
Friedensordnung zur Bewahrung des Weltfriedens ausgegeben wurde. Die
Menschenrechte und das Völkerrecht rückte in den Mittelpunkt und prägte das
menschliche Verständnis von Humanität, Toleranz, Respekt und Moral. Diese neuen
Weltansichten sind Rückschlüsse, welche man in Europa aus der Erkenntnis des Zweiten
Weltkrieges gewann und welche fortan das Miteinander auf diesem Kontinent
prägen.
Weiterhin erkannte man, dass die Kirche bzw. der Glaube,
welche das menschliche Miteinander regeln sollte, als Ordnungsmacht gescheitert
war. Stattdessen sollten neue Gremien gefunden werden, wonach der Mensch sich
orientieren konnte. So wurden als Folge des Zweiten Weltkriegs die Vereinten
Nationen gegründet und die USA und die Sowjetunion als Supermächte des 21.
Jahrhunderts schufen eine neue Weltordnung.
Menschen der westlichen Kultur ordneten sich der USA als
Wertegeber unter. Individuelle Freiheit, Gleichheit und Demokratie wurden zu
westlichen Werten. Durch die NATO sollte dieser Frieden bewahrt und durch ein
Vereintes Europa sollte die Wertegemeinschaft etabliert werden.
In der Sowjetunion und deren Bündnispartner gab es ähnliche
Bestrebungen. Allerdings stand dort nicht die individuelle Freiheit im
Vordergrund, sondern die gesellschaftliche. Das Individuum ordnet sich einer
Gesellschaft unter, wodurch Gleichheit, Frieden und Ordnung entstehen sollte.
Demnach waren die Menschen in Osteuropa und dem heutigen Russland an einem
starken Staat interessiert. Brüderlichkeit, Solidarität unter den
Bündnisstaaten und gegenseitige Abhängigkeit standen im Fokus. Die Interessen
und Bedürfnisse des einzelnen Menschen wurden dem Wohle der Gemeinschaft
untergeordnet.
Beide Supermächte übten Einfluss auf ihre Partnerstaaten
aus. Denn während des Kalten Krieges standen sich nicht nur die Sowjetunion und
USA als Staaten gegenüber. Vielmehr standen sich zwei konkurrierende Systeme
mit unterschiedlichen Wertvorstellungen und Ordnungsprinzipien gegenüber. Der
Westen war geprägt durch Individualismus, Demokratie, dem freien Willen und
einem Kapitalismus als freiste Wirtschaftsform, welche losgelöst ist vom
staatlichen Handeln. Und der Osten war geprägt durch einen Kollektivismus und
Sozialismus, in denen der Staat die Wirtschaft lenkt und die gesellschaftliche
Erziehung zur Solidarität, zum Miteinander und zur Bewahrung des inneren
Friedens aufsetzt.
Beide Systeme versuchten auf ihre Art und Weise eine Ordnung
zu etablieren, welche auf Toleranz, Respekt und Menschlichkeit beruht.
Allerdings versuchten sie dies mit verschiedenen Methoden, welche aus einer
unterschiedlichen Weltanschauung heraus begründet sind. Dies führte dazu, dass
im Kollektivismus in denen der Mensch als Individuum nicht hochgehalten wird,
Diktaturen entstanden – welche das Individualwohl immer dem Gemeinschaftswohl
unterordneten.
Im damaligen Westen und den heutigen Demokratien steht das
Individualwohl, wie z.B. die Würde des Einzelnen, immer über dem Kollektivwohl.
Dies führt dazu, dass in Krisen anders gehandelt wird als in kollektivistisch
orientierten Staaten, in denen die Gesellschaft als Ganzes geschützt wird,
indem Rechte einzelner beschnitten werden.
Mit dem Fall der Berliner Mauer gingen beide Systeme
ineinander über. Die Sowjetunion zerbrach und ehemalige Partnerstaaten
schlossen sich dem Westen an, übernahmen das Weltbild des Individualismus und
läuteten eine Zeitenwende in Europa ein.
Klimatische, ökologische, ökonomische und soziale
Zeitenwenden
Massive klimatische Veränderungen wie die Eiszeiten oder
durch Meteoriteneinschläge ausgelöste Klimakatastrophen haben schon seit
Jahrmillionen das Leben auf dem gesamten Planeten beeinflusst. Innerhalb der
Menschheitsgeschichte fiel die letzte Eiszeit, welche mit dem Beginn des
Holozäns vor etwa 11.700 Jahren endete. Diese Zeitenwende veränderte das Klima
auf der Erde nachhaltig und ermöglichte die Erschließung neuer Lebensräume,
welche durch das Feuer als Schlüsseltechnologie weiter bekräftigt wurde.
Noch während der Steinzeit setzte die Neolithische
Revolution ein, welche unter Historikern als Beginn der Jungsteinzeit
betrachtet wird. Frühe Formen von Ackerbau und Viehzucht finden sich im Nahen
Osten bereits zwischen 11.000 v.Chr. bis 8300 v.Chr. Die Domestikation von
Wildtieren zu Nutztieren sowie der Anbau von Nutzpflanzen versprach mehr
Nahrung und läutete die oben beschriebene Entstehung von Zivilisationen ein.
Durch neue wissenschaftliche Methoden und der Erforschung
neuer Technologien konnte der Mensch den Planeten zunehmend unterwerfen. Die
Erfindung des Rades, des Flaschenzuges, der Dampfmaschine und des Webstuhls
schufen jeweils eine Zeitenwende in der industriellen Produktion. Fortan ließen
sich die körperlichen Fähigkeiten des Menschen durch Technik überwinden.
Produktionsprozesse wurden zunehmend automatisiert und große Mengen an
Produktionsmittel machten die Industrialisierung möglich. Die Länder der Erde
wurden nach Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern unterteilt, wodurch
die militärische Konkurrenz einer wirtschaftlichen wich.
Geld, welches ursprünglich nur als universelles Tauschmittel
diente, wurde in dieser Zeit zum Maßstab, um Wirtschaftlichkeit und Effizienz
zu ermitteln. Prozesse in der Herstellung, im Verkauf und in der Beschaffung
von Rohstoffen wurde monetär bewertet. Die Produktionsfaktoren – die in Arbeit,
Boden und Kapital vereint sind und welche für die Produktion kombiniert werden,
erhielten durch die Bewertung eine neue Dimension. Dadurch erkannte man, wo man
innerhalb der Produktion effizienter sein konnte, welche Prozesse weggelassen
oder automatisiert werden mussten, um Kosten zu sparen.
Am Ende dieser Profitsicht verstand man sich darauf, dass
bestimmte Produktionsprozesse, welche im eigenen Land zu teuer waren, in
Schwellenländer mit Niedriglöhnen ausgelagert werden mussten. So übernahmen die
Dritte-Welt-Länder, welche ein hohes Rohstoffaufkommen haben, den Abbau dieser
Rohstoffe. Diese Arbeit erforderte wenig Ausbildung und konnte somit von jeder
Arbeitskraft, allein durch den Einsatz von körperlichen Fähigkeiten, erreicht
werden. In den Industriestaaten, in denen die Arbeitskräfte einen theoretischen
Mindestlohn verdienen mussten, um den sozialen Frieden zu bewahren, konnte
diese Arbeit nicht kosteneffektiv abgebildet werden.
Die Rohstoffe wurden dann von den Abbauländern in andere
Entwicklungs- oder Schwellenländer transportiert. Dort wurden sie mit anderen
Rohstoffen und Hilfsstoffen zu Fertigwaren oder Halbfertigerzeugnissen
produziert. Für diese Tätigkeit war ein Mindestmaß an Ausbildung nötig, welche
die Arbeitskräfte in den Schwellenländer anbieten konnten.
Die Industriestaaten vermarkteten letztlich nur noch die
Produkte und kümmerten sich um Service, Einbau und Verkauf. Somit wurde das
Sektorenmodell erschaffen, welches die gesamtwirtschaftliche Produktion in
Teilbereiche einordnen ließ. Der Produktionssektor verschob sich in die Dritte
Welt und in Schwellenländer. In reicheren Ländern, welche über einen
theoretischen Mindestlohn einen sozialen Frieden bewahren mussten, wurde der
Dienstleistungs- und Finanzsektor ausgebaut.
Dies ermöglichte Spezialisierung, wodurch eine noch höhere
Effizienz erreicht werden konnte. Die menschliche Arbeitsteilung wurde nun
nicht mehr regional oder national verstanden, sondern international. Das
Zeitalter der Globalisierung brach an.
Doch dieser Wirtschaftsboom benötigte Unmengen an Energie,
welche durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe geschaffen wurde. Als
Nebenprodukte dieses Energiegewinns entstehen Abgase, welche die Atmosphäre der
Erde anreichern und zu einer Veränderung dieser führen. Der menschengemachte
Klimawandel ist ein Nebenprodukt der Industrialisierung und Globalisierung,
dessen Umkehr ebenfalls als Zeitenwende bezeichnet wird.
Zeitenwende und Wendezeit
Als Begriff, der zu Verwechslungen führen könnte, wird
„Wendezeit“ angesehen. Doch eine Zeitenwende ist etwas anderes als die
Wendezeit. Dieser Begriff bezeichnet in der Regel die friedliche Revolution,
die die DDR und die BRD wieder zu einem gemeinsamen Staat machten.
Der Zusammenbruch der DDR wird allgemein als Wende oder
Wendezeit bezeichnet. Dem Fall der Mauer lag ein gesellschaftspolitischer
Wandel zugrunde, der durch die Perestroika begünstigt wurde. Der dadurch
eingeleitete gesellschaftspolitische Wandel beendete die Herrschaft der SED
über die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Mit dem Jahr 1989
veränderte sich nicht nur die Welt der Deutschen nachhaltig. Die Wendezeit
beinhaltete auch eine Neuordnung der westlichen Welt, wie oben beschrieben.
Involviert in das Geschehen waren immerhin internationale
Politiker wie Michail Gorbatschow, George Bush, Helmut Kohl, Francois
Mitterrand oder Maggie Thatcher. Die deutsche Wiedervereinigung als Wendezeit
zu bezeichnen, macht zumindest die direkten und indirekten Auswirkungen
innerhalb Europas und der Welt sichtbar.
Merkmale einer Zeitenwende
Eine neue Ära wird durch gravierende Ereignisse, bedeutende
Entdeckungen und Erfindungen oder dramatische Entwicklungen eingeleitet. Diese
bedeuten eine Umwälzung auf globaler Ebene. Das gewohnte Leben und die bisher
erlebten Lebensumstände vieler Menschen, wenn nicht sogar aller Erdenbürger,
wird dadurch nachhaltig verändert.
Die Geschichtswissenschaft teilt die Menschheitsgeschichte
derzeit in fünf historisch bedeutsame Epochen ein: die Vorgeschichte, die
Antike, das Mittelalter, die Moderne und die Zeitgeschichte. Diese Aufteilung
geht auf eine Zeit zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit
begannen Historiker, verschiedene Epochen voneinander abzugrenzen und zu
definieren. Diese Aufteilung ist allerdings nicht von Abweichungen und
Widersprüchen frei. Sie hat sich aber als historische Sichtweise auf die
Menschheitsgeschichte etabliert.
Alle weiter oben skizzierten Großereignisse wie die neolithische
oder die industrielle Revolution, die als Ausgangspunkt einer Zeitenwende
gelten könnten, ordnen sich in dieses Schema ein. Wir können also als
historische Zeitenwende eine Ära begreifen, die bestimmte Errungenschaften
bedeutet hat. Sie hat die Menschheitsgeschichte gemäß der Fortschritte einer
kulturellen Evolution eingeteilt.
Die Vorgeschichte umfasst den gewaltigen Schritt vom
tierischen Vorfahren zum Menschen. Diese Entwicklung ist keine biologische, da
der Mensch zoologisch gesehen, immer eine Tierart aus der Gattung homo sein
wird. Stattdessen betrachtet man die Entwicklung des Menschen als kulturell.
Durch Sprache, Technologie, dem Gebrauch von Werkzeugen konnte sich der Mensch
aus der Natur entreißen, wodurch die Trennung zum Tierreich vollzogen wird.
Das Zeitalter der Antike bzw. des Altertums wird ab dem 4.
Jahrtausend v.Chr. angesetzt. Hier finden wir die Entwicklung einer Schrift,
das Entstehen unterschiedlicher Zivilisationen mit einer eigenständigen Kultur,
sowie die frühen Vorstufen der Urbanisierung und der Demokratie. Die
Zeitenwende ist demnach ebenfalls kulturell vollzogen worden.
Eine neuerliche Zeitenwende bahnte sich mit dem Mittelalter
an. Sein Beginn wird im Jahr 476 datiert. Das Weströmische Reich zerfällt,
sogenannte Barbarenvölker erobern Europa. Die Machtverhältnisse verschieben
sich. Europas Ordnung wurde derart gestört, dass der Untergang Roms bevorstand.
Das Frankenreich als neuer Staat tritt an die Stelle Westroms und ordnet die
Machtverhältnisse neu.
Im Oströmischen Reich mit Konstantinopel als Hauptstadt
kommt es zur Trennung mit Westrom, dem Überbleibsel des Römischen Reiches. Das
Reich um Konstantinopel, welches ursprünglich um die Stadt Byzanz bestand, wird
nun als Byzantinisches Reich gesehen. Auch von der christlichen Gemeinde Roms
sagt man sich zunehmend ab. Im Jahr 1054 kommt es zum Morgenländischen Schisma,
an deren Ende sich die orthodoxe Kirche im Osten Europas und die
römisch-katholische Kirche im Westen gegenüberstehen.
Mit dem 13. Jahrhundert werden Städte zu immer wichtigeren
Siedlungs- und Handelszentren. Die bestehenden sozialen Klassen werden durch
die Bourgeoisie und die Feudalgesellschaft erweitert. Die Klassengesellschaft
entsteht. Kunststile wie Romantik oder Gotik setzen sich auch international
durch.
Die Moderne beginnt im Jahr 1453 nach dem Untergang des
Byzantinischen Reiches oder 1492 mit der Entdeckung Amerikas. Die Osmanen
nehmen Konstantinopel ein. Das moderne Staatswesen entsteht. Zugleich
verfestigen sich die absolute Monarchien. Die Wissenschaft entwickelt sich
ebenso rasant wie die Kunst. Die Werke von Leonardo da Vinci, Rafael oder
Michelangelo werden international anerkannt. Man spricht von der Renaissance
als eigenständige Kulturepoche innerhalb der Moderne. Die Entdeckung Amerikas
durch Columbus anno 1492 verändert das Leben ebenso wie die anschließende
Besiedelung Amerikas durch die Europäer oder das das Zeitalter der Reformation.
Die Ära der Zeitgeschichte ist eine Zeit großer Umwälzungen
politischer oder territorialer Natur. Ihr Beginn wird von
Geschichtswissenschaftlern auf die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts datiert.
Hier wird die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts ebenso eingeordnet
wie die neue Mobilität durch die Eisenbahn. Die vermehrten internationalen Verflechtungen
auf politischer oder wirtschaftlicher Ebene sind ebenso prägend wie das
Entstehen von militärischen Konflikten wie Bürgerkriegen oder den beiden
Weltkriegen. Die Kernspaltung schafft 1938 neue Fakten. Sie läutet das
Atomzeitalter ein. Die deutsche Wiedervereinigung nach dem Mauerfall
kennzeichnet eine weitere weltgeschichtliche Entwicklung.
Klar ist, dass nicht alle Geschichtswissenschaftler diese
eurozentristisch geprägte Sichtweise teilen. Chinesische oder russische,
jüdische oder islamische Geschichtswissenschaftler nehmen zumindest in Teilen
andere Perspektiven ein. Die chinesischen Dynastien werden beispielsweise
jeweils als eigenständige Ära und Zeitenwenden angesehen. Wenn wir unsere Sicht
auf historische Zeitenwenden anlegen, ist diese immer euro- bzw.
ethnozentristisch – also von unserem eigenen Blick auf die Geschichte geprägt.
Ob dieser eingeengte Blick zukünftig noch haltbar ist, ist eine gute Frage.
Zusammenfassung
Als Zeitenwende werden Geschehnisse in Europas Geschichte
bezeichnet, welche eine neue Weltanschauung, einen Perspektivwechsel oder eine
Revolution (kulturell, wissenschaftlich, sozial, ökologisch oder ökonomisch)
einläuten.
Zeitenwenden Europas lassen sich zudem in fünf
übergeordneten Perioden der Menschheitsgeschichte einteilen: Vorgeschichte,
Altertum bis zur Antike, Mittelalter, Moderne und Neuzeit bzw. Zeigeschichte.
Doch die Menschheitsgeschichte ist nur ein verschwindend
kleiner Teil der Erdgeschichte. Denn diese umfasst lediglich die Entstehung des
Menschen und seine Entwicklung bis in die heutige Zeit.
Interessant ist, dass die längste Periode der
Menschheitsgeschichte den langen Zeitraum zwischen der ersten Anfertigung von
Werkzeugen bis zum Altpaläolithikum-Ende umfasst. Dieser Zeitraum macht bereits
90 Prozent der bisherigen Menschheitsgeschichte aus. Festzustellen ist
außerdem, dass sich die Entwicklung der menschlichen Gesellschaftsformen
keineswegs einheitlich, sondern äußerst individuell und vielseitig vollzogen
hat.
Entsprechend sind auch die Sichtweisen anderer Völker auf
Geschichte oder Zeitenwenden andere.
Eine allgemeingültige Periodisierung für die gesamte
Menschheitsgeschichte wird dadurch erschwert.
Immerhin sind sich alle über die bahnbrechenden
Errungenschaften einig, die eine Zeitenwende ausgelöst haben: die zunehmende
Beherrschung des Feuers, der langsame Übergang von reinen
Jäger-Sammler-Gesellschaften zu sesshaften Ackerbauern und Viehzüchtern, oder
das Entstehen städtischer Ballungszentren oder Hochkulturen. Die uns nähere
Gegenwart wurde durch Umwälzungen wie die industrielle Revolution, den
Kolonialismus, zwei Weltkriege und in neuerer Zeit eine zunehmende
Globalisierung geprägt.
Wir leben inzwischen in einer zunehmend vernetzten und
multipolaren Welt. Ob es jemals eine „Weltgesellschaft“ gibt, ist fraglich. Die
Vielfalt der Perspektiven auf solche Zeitenwenden wird – selbst wenn das
passiert – immer eine andere sein als die jetzige.
Der zunehmende Klimawandel definiert weltweit alles neu, was
den Erdbewohnern bisher bekannt ist. Er läutet bereits jetzt die nächste
Zeitenwende ein. Unser Leben wird sich auch durch der zunehmende Nationalismus,
die Überbevölkerung oder neue Fluchtbewegungen rasant ändern. Wie viele
Gestaltungsräume uns angesichts der Herausforderungen dieser Zeit noch bleiben,
wird die Geschichte zeigen.
Zunehmende Ressourcenkonflikte, extreme Wetterereignisse,
weitere Kriegshandlungen, unabsehbare Migrationsbewegungen und eine immer
gravierendere Umweltverschmutzung sind der EU-Kommission zufolge die neuen
Bedrohungsmultiplikatoren von globaler Bedeutung. Diese erfordern massive
Anpassungen und vorausschauende Strategien von allen Seiten.
Alle diese Eindrücke fließen im Begriff einer
Zeitenwende ein.
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