Deutschland und die Mullash


Die Islamische Republik Iran besteht seit dem 1. April 1979. Das politische System des Iran enthält demokratische und theokratische Elemente. Grundlage des Staates ist die iranische Verfassung. Staatsoberhaupt ist der Führer (Rahbar). An der Spitze der Regierung steht der Präsident. Da nach dem Regierungssystem des Welāyat-e Faqih die politische Macht bzw. die Regierung nicht vom Volk, sondern in der Erwartung auf den in der Verborgenheit weilenden Imam Mahdi, dem zwölften Imam, von Allah ausgeht, wird der Iran häufig als Gottesstaat bezeichnet.

Das politische System des Iran beruht auf einer Ausarbeitung des Ajatollah Ruhollah Chomeini. Chomeini erarbeitete im irakischen Exil in Nadschaf das Konzept der Welāyat-e Faqih ‚Statthalterschaft des Rechtsgelehrten‘. Die heutige Verfassung entspricht diesem Konzept in weiten Teilen. Der Begriff der Welayat-e Faqih geht auf Mullah Ahmad Naraghi († 1829) aus Ghom zurück. In seinem auf Arabisch verfassten Buch Avaed-al Ayam erklärt Naraghi, dass während der Abwesenheit des 12. Imam Mahdi der Faqih zwei Herrschaftsbereiche zukommen: Der erste Bereich erstreckt sich auf alles, was den Propheten und die Imame betrifft; der zweite Bereich erstreckt sich auf die Ausgestaltung der Religion und der sozialen Lebenswelt des Menschen. Naraghi nannte zehn Beispiele, in denen die Welāyat-e Faqih im weltlichen Bereich zum Tragen kommt, wie z. B. die treuhänderische Verwaltung des Vermögens von Waisen und geistig Behinderten, das Justizwesen usw.

Chomeini schuf mit seiner Ausarbeitung Welāyat-e Faqih ein Konzept, das den höchsten schiitischen Geistlichen damit beauftragt, die Rückkehr und damit die Herrschaft Mahdis durch Ausübung politischer Herrschaft vorzubereiten.

In Grundsatz 5 der iranischen Verfassung heißt es:

„In der Islamischen Republik Iran steht während der Abwesenheit des entrückten 12. Imam – möge Gott, dass er baldigst kommt – der Führungsauftrag [Imamat] und die Führungsbefugnis [welayat-e-amr] in den Angelegenheiten der islamischen Gemeinschaft dem gerechten, gottesfürchtigen, über die Erfordernisse der Zeit informierten, tapferen, zur Führung befähigten Rechtsgelehrten zu […]“

– Verfassung der Islamischen Republik Iran, 1979

Das Konzept der Welāyat-e Faqih bricht mit der unpolitischen und quietistischen Tradition der Schia, die zuvor mit wenigen Ausnahmen in der schiitischen Geistlichkeit vorherrschte.Als ein Hauptvertreter dieser Position wird Großajatollah und mardschaʿ-e Taghlid Hossein Borudscherdi (1875–1961) genannt. Die Einmischung in die Politik ist nach der quietistischen Auffassung nicht vereinbar mit der zwölfer-schiitischen Überzeugung, nach der der entrückte 12. Imam Mahdi zurückkehren und als einzig legitimer Herrscher die muslimische Welt regieren wird. Jede Regierung während seiner Entrückung ist nach dieser Überzeugung nur eine Übergangsregierung, die durch nichts legitimiert ist und so sie sich als islamisch versteht sogar einen Widerspruch in sich enthält.

Chomeini war nicht der erste schiitische Geistliche, der eine Kontrolle der Gesetzgebung durch geistliche Führer anstrebte. Bereits während der konstitutionellen Revolution von 1906 bis 1911 war es Scheich Fazlollah Nuri, ein entschiedener Gegner der Konstitutionalisten, der einen von ihm ausgearbeiteten Verfassungszusatz zur Überprüfung aller Gesetze auf islamische Grundlage durch fünf Kleriker (Expertengremium) vorschlug, der dann auch Bestandteil der iranischen Verfassung wurde. Dieses Expertengremium konstituierte sich nie; Geistliche waren aber von Beginn an Parlaments-Abgeordnete und wirkten an der Gesetzgebung mit.

Dennoch ist das Welāyat-e Faqih ein „revolutionäres Novum“ für die Schia, da Chomeini und seine Anhänger in der Verfassung der Islamischen Republik Iran über ein Mitwirken der Geistlichkeit im Gesetzgebungsprozess hinausgingen. Dem obersten Rechtsgelehrten wurde die geistliche und politische Führung zugesprochen. Diese Regierung verstand sich zwar in der Erwartung des 12. Imam als Vertretungsregierung, forderte aber ausdrücklich die Notwendigkeit der Einheit von Politik und Religion. Nach Chomeinis Überzeugung konnte nur so sichergestellt werden, dass die Gesetze Gottes auch die Gesetze des Staates wurden und nur der oberste Vertreter der Imame schien ihm für diese Aufgabe geeignet.

Wegbereiter der Revolutionsideologie im Iran waren Dschalāl Āl-e Ahmad und sein Schüler Ali Schariati, die den intellektuellen Diskurs der 1960er Jahre prägten. Āl-e Ahmad veröffentlichte 1962 seinen einflussreichen Essay Gharbzadegi, in dem er die Verwestlichung Irans anprangert, die er zum Teil als Angriff interpretiert. Im Islam sah er „den einzigen vom westlichen Gift noch nicht befallenen Wert“. Chomeini bekannte später, dass er das Buch voller Bewunderung gelesen habe. Schariati war sowohl Gegner des demokratisch-kapitalistischen Westen als auch der kommunistischen Sowjetunion und trat für einen politischen Islam als dritten Weg ein. Er schuf dabei das sozialrevolutionäre Konzept der alidischen, „roten“ Schia als revolutionärer Bewegung, die er als reine, wahre und unverfälschte Schia beschreibt. Er grenzt sie ab von der safawidischen, „schwarzen“ Schia. Diese zeichne sich durch politische Untätigkeit aus in der getrauert und geklagt wird, anstatt gegen Unterdrückung aufzubegehren. Schariati prägte im Sinne dieser Position in seiner Schrift Das Martyrium (Schahâdat) einen Spruch, der zum Slogan der Islamischen Revolution wurde: „Jeder Ort ist Karbala, jeder Monat ist Muharram und jeder Tag ist Aschura“.

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