Corona mit dem Regenwald
Entdeckung zu Corona, die lesenswert sind und die zum Denken anregen. Wissen einmal anders dargestellt - ein Beitrag aus der unstatistik
Unstatistik des Monats:
Corona und der Regenwald
Unsere Unstatistik April ist wieder einmal ein Korrelationskoeffizient - der zwischen dem weltweiten Bestand an Regenwald und dem Vorkommen von tiergetriebenen (von Tieren ausgehenden oder durch Tiere übertragenen) Infektionskrankheiten wie der aktuellen Corona-Pandemie. Dieser Korrelationskoeffizient ist negativ: je weniger Regenwald, desto mehr Infektionskrankheiten. So eine in deutschen und internationalen Medien vielzitierte Studie der französischen Biomediziner Serge Morand und Claire Lajaunie.
Die beiden Forscher hatten für 27 Jahre, von 1990 bis
2016, einen steten Rückgang der mit Regenwald bedeckten Erdoberfläche zusammen
mit einem ebenso steten Anstieg von Infektionswellen an verschiedenen von
Tieren ausgehenden Krankheiten konstatiert. Daraus wurde dann in einigen Medien
ungeprüft und ohne weitere Indizien eine Kausalbeziehung hergeleitet. Beginnend
im März, bis in den April hinein berichteten u.a. derstandard.de („Eindeutiger Befund: Abholzung fördert Ausbreitung
von Infektionskrankheiten“), blick.ch („Waldrodung
begünstigt Tierkrankheiten“) und tag24.de („Studie zeigt: Holzen wir weiter ab, wird es mehr
Infektions-Krankheiten geben“).
Einige Berichte weisen auf die Notwendigkeit weiterer
Studien zur Etablierung einer Kausalbeziehung hin, die meisten aber nicht. Eine
solche Kausalbeziehung kann aus den Daten der zitierten Studie nicht abgeleitet
werden (und wird von den Autoren auch nicht behauptet). Die möglichen negativen
Effekte einer Abholzung von Regenwald auf Mensch und Umwelt wollen wir
keinesfalls bestreiten. Allein die dadurch bewirkte Reduktion der Biodiversität
ist für viele Missstände verantwortlich. Aber nicht alle Übel dieser Erde gehen
auf den Rückgang des Regenwaldes zurück. Genauso könnte man beweisen, dass der
verschwindende Regenwald für die Zunahme an Einbruchsdiebstählen in der
Bundesrepublik oder die steigende Staatsverschuldung weltweit verantwortlich
ist. Diese ungeprüften Rückschlüsse von Korrelation auf Kausalität gehören zu
den häufigsten statistischen Fehlern überhaupt. So gibt es etwa bei Männern
eine negative Korrelation zwischen dem Einkommen und der Anzahl der Haare auf
dem Kopf: je weniger Haare, desto mehr Geld. Diese Korrelation entsteht
dadurch, dass bei Männern im allgemeinen mit wachsendem Alter die Haare
ausfallen und das Einkommen steigt.
Zeitreihen können unabhängig voneinander in die
gleiche Richtung laufen
Der häufigste Grund für solche Nonsens-Korrelationen
sind gemeinsame Trends: Zwei Zeitreihen, die ganz gleich aus welchen Gründen in
die gleiche Richtung gehen, sind immer automatisch hoch positiv korreliert. So
gibt es etwa in Deutschland eine perfekte Korrelation zwischen den
Apfelsinenimporten aus Portugal und den Belegungszahlen der bundesdeutschen
Trinkerheilanstalten. Beide Zeitreihen sind seit dem Zweiten Weltkrieg
angestiegen. Deshalb käme aber niemand auf die Idee, nun Apfelsinen aus
Portugal zu verbieten. Genauso sind zwei Zeitreihen mit entgegengesetzten
Trends immer automatisch hoch negativ korreliert, wie hier die Fläche an
Regenwald und die Infektionsinzidenz.
Die Statistik kennt durchaus Verfahren, zwischen
Korrelationen und Kausalitäten zu unterscheiden. In der Studie von Morand und
Lajaunie sucht man diese allerdings vergebens.
Pressemitteilung
Ansprechpartner/in:
Prof. Dr. Walter
Krämer,
Tel.: (0231) 755-3125
Sabine Weiler (Kommunikation RWI),
Tel.: (0201) 8149-213, sabine.weiler@rwi-essen.de
Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de und unter dem Twitter-Account @unstatistik.
Unstatistik-Autorin Katharina Schüller ist zudem Mit-Initiatorin der „Data Literacy Charta“, die sich für eine umfassende Vermittlung von Datenkompetenzen einsetzt. Die Charta ist unter www.data-literacy-charta.de abrufbar.
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