Bayern-Bashing
Bayerische Staatsregierung - |
Unstatistik des Monats:
Bayern-Bashing bei „Reschke TV“
Die Unstatistik des Monats Februar ist das Bayern-Bashing in Anja Reschkes Auftaktsendung „Reschke TV“. Thema der Sendung: Das „Ego-Land Bayern“, das „uns alle“, oder genauer gesagt die „Resterampe der Republik“ (O-Ton Markus Söder), fortlaufend „abzieht“.
Nein,
es geht nicht um Fußball. Da sind die Statistiken schließlich noch weniger zu
erschüttern als die Wahlergebnisse der CSU. Sondern es geht um Energie und
Verkehr. Eben (O-Ton Anja Reschke) um „knallharten Journalismus“.
Schon
in den ersten fünf Minuten zeigt sich die Moderatorin verwirrt. Denn Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder scheint sich in verschiedenen Einspielern
laufend zu widersprechen. Mal spricht er davon, Bayern läge bei den
erneuerbaren Energien auf Platz eins, mal soll es „nur“ Platz zwei sein.
Ergebnisse
unterscheiden sich aufgrund ihrer Referenzklassen
Dieses
Rätsel lässt sich leicht lösen, wenn man sich klar macht, dass hier von
verschiedenen Referenzklassen gesprochen wird. Das Problem der Referenzklassen
haben wir in unserer Unstatistik vom August 2016 schon einmal aufgegriffen. Dort ging es um die Frage,
warum Fußball-Fans auf einem Karriereportal eine andere Referenzklasse bilden
als alle deutschen Fußball-Fans.
Beim
Strom hingegen sind die theoretisch erzeugbare und die tatsächlich erzeugte
Leistung zwei verschiedene Referenzklassen, sozusagen die theoretische
Spielstärke einer Mannschaft und ihre tatsächlich erbrachte Leistung in einer
Saison. Die theoretische Spielstärke eines Bundeslands ist die installierte
Leistung, also die maximale Gesamtleistung, die aus erneuerbaren Energien
erzeugt werden könnte. Daten dazu liefert die Bundesnetzagentur im Marktstammdatenregister. Wind und Solarstrom zusammengenommen, ist Bayern der
klare Sieger aller Bundesländer.
Bei
der Bruttostromerzeugung aus erneuerbaren Energien, also dem tatsächlich „auf
dem Platz“ produzierten Strom, lag Bayern hingegen zuletzt auf Platz 2. Dies
erfährt man aus den umweltökonomischen Gesamtrechnungen der Länder. Interessiert man sich aber nicht für die absolute
Gesamtleistung, sondern für den Anteil der erneuerbaren Energien am erzeugten
Bruttostrom, dann rutscht Bayern weiter ab auf Platz 5.
Je
nach Bezugsgröße fällt Bayern im Ranking zurück
Anja
Reschke argumentiert nun, dass Bayern als flächenmäßig größtes Bundesland am
meisten Platz hat, um Windräder und Solarpanels aufzustellen. Deswegen müsse
man die installierte Leistung auf Quadratkilometer beziehen. Unter allen
Flächenländern, also ohne Berlin, Bremen und Hamburg, liegt Bayern damit auf
Platz 9. So steigt Bayern nur durch die Änderung der Referenzklasse aus der
Bundesliga in die Kreisklasse ab.
Ein
toller Trick – den man am besten dann anwendet, wenn er zur gewünschten
Geschichte passt: Dass Bayern sich gerne mit fremder Leistung schmückt. So soll
Bayern dank dreier aufeinanderfolgender CSU-Bundesverkehrsminister weit
überproportional von Bundesmitteln für Bundesfernstraßen profitiert haben. Das
zeigt die Grafik ab Minute 20 der Sendung.
Die
dahinter liegenden Daten liefert ein Sachstandsbericht des Deutschen Bundestags. Dem ist zu entnehmen, dass im Verlauf der Zeit tatsächlich
immer mehr Geld vom Bund in bayerischen Fernstraßen verbaut wurde. Aber bei den
letzten dokumentierten Ist-Ausgaben liegt Bayern absolut gesehen nur auf Platz
2.
Wie
wir außerdem bereits wissen, hat Bayern allerdings auch mehr Fläche zu
erschließen, die man statt mit Windrädern und Solaranlagen auch mit Fernstraßen
bebauen könnte. Pro Quadratkilometer verglichen, rutscht Bayern dann auf Platz
5 ab. Interessiert man sich nun zusätzlich zum Straßenneu- und Ausbau auch für
das Geld, das in die Straßenerhaltung geflossen ist, dann ist Bayern, absolut
betrachtet, die klare Nummer 1. Bezogen auf die Fläche, liegt es bei den
Gesamtausgaben nur auf Platz 8 der Bundesländer, wie Berechnungen auf Grundlage
einer Bundestags-Drucksache zeigen.
Was
stimmt denn nun? Es kommt darauf an. Anders als beim Fußball, gibt es im
Ranking der Bundesländer keine objektive Referenzklasse oder Einheit, in der
die Spielteilnehmer miteinander zu vergleichen sind. So oder so, Frau Reschke
sollte sich entscheiden, welche Maßstäbe sie anlegt, wenn sie Bundesländer
gegeneinander ins Rennen schickt. Jedenfalls wenn nicht der Eindruck entstehen
soll, dass der NDR dort, wo man gegen Bayern noch Siegchancen hat (also überall
außer beim Fußball) mit Zahlen-Doping nachhilft.
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Ihre
Ansprechpartner/in dazu:
Katharina Schüller
(STAT-UP)
Tel.: (089)
34077-447
Sabine Weiler (Kommunikation RWI), Tel.: 0201/ 8149-213,
Mit der
„Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer,
der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina
Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte
Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im
Internet unter www.unstatistik.de und unter dem Twitter-Account @unstatistik. Unstatistik-Autorin Katharina Schüller ist
zudem Mit-Initiatorin der „Data Literacy Charta“, die sich für eine umfassende
Vermittlung von Datenkompetenzen einsetzt. Die Charta ist unter www.data-literacy-charta.de abrufbar.
Neu erschienen: „Grüne fahren SUV und Joggen macht unsterblich – Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik“, das zweite Unstatistik-Buch (ISBN 9783593516080), erhältlich im Buchhandel zum Preis von 22 Euro.
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